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QUELLEN Echo der Gegenwart, 5. Dezember 1913, Artikel von Isitnot. Bezüglich
der Futuristen.... Um
die Art der Futuristen-Malerei evtl. verstehen und bewerten zu lernen,
besuchte ich die Ausstellung Kadinsky [sic] und Bolz im Reiffmuseum
sowie
auch
Dienstag der vergangenen Woche den Vortrag dortselbst. Ein Verstehen
ist mir
jedoch nicht möglich geworden. Wenn
es wirklich erreicht werden kann, durch Farben und Formen, unter
Weglassung
jeglichen Gegenstandes, seelische Vorgänge auf die Leinwand zu
bannen und zwar
dergestalt, daß diese seelischen Emotionen auf den
aufnahmefähigen Beschauer
übergeleitet werden, dann wäre allerdings eine neue
Kunst und zwar einer sehr
hohen Schule geschaffen. Aber ist diese Kunst überhaupt schon
da? Ist der
Anfang dazu schon gemacht worden? Nur das Wollen dazu ist anscheinend
vorhanden. Ich betone nochmals ausdrücklich, daß ich
nicht von den
Futuristenbildern rede, die immerhin noch gegenständliches
zeigen, wenn auch
der Wirklichkeit gegenüber verschroben und verzerrt; ich rede
nur von den
Bilder, die, losgelöst vom Sujet, nur Farben und Striche
aufweisen. Die
Eindrücke, [die] diese sogenannten Kompositionen auf den
Beschauer ausüben,
kann ja jeder am besten an sich selbst konstatieren, und es ist ein
gesundes
Zeichen, daß meistens der Eindruck „ein herzhaftes
Lachen“ ist. Da
die ausgestellten Bilder nichts hergaben trotz eifrigen Suchens, ging
ich in
den Vortrag und wurde durch eine überaus geistreiche Rede eine
Stunde lang
anregend unterhalten. Ich vernahm nie gehörtes und auch
unerhörtes; ich lernte
Richard Wagners Fehler in seinen Werken kennen; ich hörte,
daß Düsseldorf als
Kunststadt bedeutend nachhinkt; ich sah das schönste (!) Bild
welches in den
letzten Jahren gemalt wurde; ich hörte die Spottbezeichnungen
für historische Bilder
ernster anerkannter [?] Maler; ich staunte darüber,
daß, wenn man sich sehr
bestimmt auszudrücken weiß, man die von Generationen
gehegten und doch wohl
auch berechtigten [?] Kunstanschauungen über den Haufen werfen
dürfte [?]. Und
vieles andere mehr brachte dieser Vortrag. Aber seinen Zweck
erfüllen konnte er
nicht. Eine [ ] sogenannten Kompositionen zu verstehen, war [ ]
unmöglich, weil
eine diesbezügliche Erklärung nicht [?] gegeben war;
denn, wenn ich von 3
Farben und 2 Formen weiß, für welchen
Gefühlsausdruck der Maler sie gebrauchen
wird, dann habe ich immer noch keine Erläuterung zur
Komposition und auch kein
Bild. An
den Vortrag schloß sich die Diskussion an: Es war nun zu
erwarten, daß klare
verständliche Antworten gegeben würden; aber die
Fragenden erhielten, man
könnte sagen „futuristische“ Antworten. Z.
B. es wurde gefragt: Wie die Ruhe nach der neuen Kunst gemalt
würde?
Erwiderung: Es interessiere ihn (den Künstler) gar nicht, die
Ruhe zu malen. Frage:
Ob es richtig sei, daß man bei den fraglichen Bildern das
obere nach unten
hängen könne? Antwort: das könne man tun,
wie es einem passe. Ein
Zuhörer erwähnte, daß ein Futurist auf
einem seiner Bilder den Fuß ebenso lang
wie den Schenkel malte und hierdurch die Eleganz anzeigen wollte, wie
dies zu
verstehen sei? Antwort: Dann habe dieser Maler eben einen zu langen
Fuß gemalt. Die
auf Wunsch gegebene Erläuterung zu einer der gezeigten
Zeichnungen war so
lakonisch trotz des bewiesenen großen Wortreichtums,
daß ein Verstehen immer
noch nicht möglich war. Im
übrigen hat kaum jemand bei der Diskussion die klare Antwort
erhalten, um die
er gebeten hat. Es
wurde empfohlen, da doch die gezeigten Zeichnungen nicht viel kosten,
eine
solche zu kaufen, (!) man würde durch längeres
Betrachten wohl Verständnis
dafür bekommen. Wenn
ein Konstrukteur und sei es nur an Hand einer Zeichnung die
komplizierteste
Maschine erklärt,
und er kann dies
bis
auf die kleinste Schraube, dann sehe ich im Geiste die arbeitende
Maschine, die
treibenden Achsen, die ineinandergreifenden Räder,
höre sie fauchen und
stampfen und ahne die dynamischen Wirkungen. Dies alles kann mir eine
solche
Zeichnung, die doch auch keine Naturimitation ist, sagen. Hat die
Erklärung der
Zeichnung Dienstag im Reiffmuseum eine Wirkung erzielt? Die
sogenannte Komposition zum Pariser Boulevard, die uns gezeigt wurde,
kann
niemals imstande sein, jemand, wenn er nüchternen Kopfes ist,
das stark
pulsierende Leben dieser Großstadtstraße mit dem
dichten Gewimmel der Autos,
Lastfuhrwerke, Omnibusse, der Trotteurs [?] und der Fremdenmasse, mit
dem
betäubenden typischen Lärm der Hupen, der
Straßenverkäufer, mit dem Treiben in
den Cafes, das sich über die Bürgersteige ausdehnt,
geistig vorzuführen. Eine
starke Hypnose könnte vielleicht imstande sein, lediglich vom
Bilde aus eine
solche Wirkung hervorzurufen, dies wäre jedoch krankhaft, und
wir wollen gesund
genießen. Daß
die eigenen Kompositionen auf den Künstler phonetische
Strahlen ausüben, kann
jedoch dem Publikum wenig nutzen, und wenn auch noch nicht einmal der
Weg
gezeigt wird, auf welchem man zum Verstehen der Bilder kommt, zu
welchem Zweck
geschieht denn die Ausstellung solcher Malereien? Die
sogenannten Kompositionen können vielleicht wohl, wenn
zweckentsprechend
angewandt, dem Kunstgewerbe Anregung zu neuartigen Tapetenmustern und
Dekorationsstoffen geben. Uebrigens,
wenn nur die Seele die sogenannten Kompositionen betrachten soll,
könnte man ja
mit geschlossenen Augen vor eine solche bemalte Leinwand treten und
dann die
Augen nach innen schauen lassen, denn die Komposition zeigt das ja
nicht, was
man sehen soll. Auch
der stete Hinweis darauf, daß man die Musik nicht immer
verstehen könne, kann
nicht stichhaltig genug sein. Das Gehör nimmt die Musik auf
und es sind viele
Wege gegeben, sie verstehen zu lernen und niemand verlangt,
daß man Töne hört,
die nicht existieren. Zum
Schlusse möchte ich noch bemerken, daß das
Bangemachen vor einer übereiligen
Kritik der Futuristen-Malerei doch nicht verhindern kann, daß
die aufgestellten
Behauptungen, die wir in Bezug auf die „neue
Kunstepoche“ hörten, nach allen
Seiten hin beleuchtet werden, solange sie keine Klarheit bringen. In
jeder Zeit
ist kritisiert worden, und das Gute hat sich immer durchgerungen. Auch
möchten
wir nicht unerwähnt lassen, daß oft neu gebrachtes,
welches durch großes
Geklapper schnell zu schwindelnden
Höhe des Ruhmes gelangte, rapide wieder
stürzte, weil mangels Vorhandensein wichtiger Werte, die
Lebensfähigkeit gleich
Null war. An
anderer Stelle wird empfohlen, doch bei der kubistischen Malerei
tolerant und
wieder tolerant zu sein. Ist man denn nicht tolerant genug, indem man
diese
sogenannten Kompositionen, deren Erklärung fehlt,
überhaupt duldet? |
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