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QUELLEN

Echo der Gegenwart, 10. Oktober 1921: Ausstellung der Woge im Reiffmuseum. Artikel von Geheimrat M. Schmid-Burgk.

Unentwegt schreiten die Wogemitglieder ihren dornenvollen Gang. Es gehört freilich nicht nur Mut, sondern auch Opferwilligkeit dazu, ohne Unterstützung, ohne Ermunterung ein als richtig anerkanntes Ziel zu verfolgen. Die Aachener Wogemitglieder besitzen diesen Mut und diese Entsagungsfähigkeit. Während andere rheinische Städte heute schon expressionistische Ausstellungen aus Privatbesitz veranstalten, während Berlin in der Nationalgalerie die rheinische Kulturwoche mit einer Expressionistenausstellung eröffnet, steht man in Aachen immer noch ratlos vor diesen Dingen. Muß denn in der übrigen Welt der Expressionismus erledigt sein, ehe es vielleicht auch hier dämmert?
    Daß sich die Wogemitglieder durch all das nicht entmutigen lassen, wird jeder Unbefangene rühmlich und erfreulich finden. Die jetzige Ausstellung zeigt auch, daß alle drei, Burger, Kohl und Maintzer, noch klarer und zielbewußter im Kampfe geworden sind. Insbesondere möchte ich das von Burger und seiner Gruppe „Diana und Endymion“ behaupten. Wie klar ist da die Vollplastik nach Hildebrands Prinzip in der Fläche entwickelt, wie fein ist diese Fläche geliedert [sic] und aufgeteilt, wie fein sind diese Gliederungen gegeneinander abgewogen. Mir scheint, daß die ausgiebige Beschäftigung mit der Malerei für Burger sehr vorteilhaft ist. Etwas Weiches und Flüssiges kommt dadurch in sein Werk. Als geborener Plastiker wird er trotzdem sich niemals in das allzu Malerische verlieren.
    Das Motiv ist an sich einfach. Hinter dem ruhenden Endymion erscheint Diana (Selene) wie eine ...[?], sanft das Haupt des Schlummernden berührend. Der Gegensatz ist ganz zart, aber deutlich ausgesprochen. Der Sitzende, in jeder Bewegung Schlaf, die Glieder völlig gelöst. Die stehende Göttin fein bewegt, leise und sehnsuchtsvoll heranschreitend, ganz statuarisches Leben, fast dem Stilleben angenähert. Diese Ruhe, dieses Gelöstsein der Gestalten, diese feierliche Stille der Nacht, der Sehnsucht und der Liebe erfüllt uns mit stillem Glück und Behagen. Alles Formale ist vortrefflich. Endymions Haupt ist dem Lichte entgegengewendet, Dianas Antlitz durch leichte Neigung in weiche Schatten gehüllt. Ausgezeichnet ist auch der Gedanke, der Oberkörper der keusch enthüllten Göttin über der -Masse des Denkmals einsam in Schönheit aufragen zu lassen. Ganz vollendet ist die Gruppe auch im Einzelnen. Jeder Beschauer sollte sich in der Ausstellung so viel Zeit nehmen, um in einer stillen Stunde diese Eurythmie der Linien, der einzelnen Flächen und der ganzen Masse zu genießen. Wundervoll aber muß die Wirkung im Park des Besitzers, des Kommerzienrats Delius, sein, wenn auf sanftem Rasen vor grünem Hintergrunde sich dies Kunstwerk erhebt. Edel, schlicht, streng und doch von einem feinen Wohllaut erfüllt, harmonisch als Ganzes wie im einzelnen, nirgends das Stoffliche betonend und doch, im Gegensatz von Gewand und Fleisch gut charakterisiert, so wirkt die Gruppe ganz klassisch, aber durchaus nicht wie Kopie einer Antike. Sie hat nur das edelste Wollen alter archaischer Kunst zu neuem Leben wiedererweckt.
    Das zweite, von Burger ausgestellte Werk ist ein Kriegerdenkmal für Viersen, ein Tryptichon. Der auferstehende Christus in der Mitte, St. Michael und die Gottesmutter auf den Flügelbildern. Also auch hier ein malerischer Grundgedanke. Auch als Relief ist es von starker, malerischer Wirkung, trotz seiner Flachheit. Hier spricht der erfahrene Plastiker. Das Mittelbild ist auf die volle Fläche gesetzt, die Flügelgestalten aber in flache Nischen, eine Wirkung, die dem naiven Beschauer kaum auffällt, ihn aber instinktiv beeinflusst. Denn so tritt der auferstehende Christus als Hauptsache aus dem Bild hervor. Nach Höhe und Tiefe untergeordnet die beiden Flügelbilder. St. Michael, eine mächtige, nur mühsam in die Nische eingezwängte, den Rahmen fast sprengende Kriegergestalt. Die gepanzerten Formen werden erst bei der Ausführung in Stein in ihrer metallischen Schärfe und Spiegelung zur vollen Geltung kommen. Zur Linken Maria, die schmerzhafte Mutter Gottes, an dieser Stelle, wo dem Schmerz so vieler Mütter Erinnerung geweiht ist, ganz besonders glücklich gewählt. So sehen wir sie demütig geneigt, das blutende Herz vom Schwerte durchbohrt, aber ergebungsvoll zum göttlichen Sohne gewendet. Zwischen beiden wuchtig und stark, aber doch sichtbar aufschwebend die Christusgestalt. Absichtlich ist im Anklange an deutsche Kunst des Spätmittelalters das Anatomische betont, die Herbheit der Formen, die Gleichform der Rippen, der eingefallene Leib. Und doch hat die Komposition so ausgeprägte Eigenarten, ist so ganz selbständig empfunden, frei von jedem Kopistengeist, der die frühere kirchliche Kunst so trostlos öde erscheinen läßt. Trotz alles Stilisierens auch soviel Natur. Wie anschaulich ist  das Schweben durch die Stellung der Beine und durch den Schwung des langherabfallenden Lendentuches wiedergegeben. Wie hat des Dulders Antlitz so etwas wunderbar Uebersinnliches. Ueberirdisches, wie verklärt wirken die weitgeöffneten Augen, der leicht geöffnete Mund. Grab, Schmerz und Wunden, aber das Alles versöhnt und überwunden durch die Hoffnung auf die Auferstehung, das ist die Expression dieses Kriegerdenkmals.
    Um nun gleich in demselben Raume zu bleiben, ein Wort über Maintzers Eifelbilder. Mit vollem Bewusstsein hat der Künstler diesmal jede zu weit gehende Umformung der Natur vermieden. In einzelnen Bildern, wie bei „der in den See vorspringenden Landungsbrücke“, hat er sogar ein wenig zu viel des Guten nach dieser Richtung hin getan. Umso größer tritt nun das Wollen des Künstlers hervor, das Streben nach Gliederung der Landschaft, nach Auflösung in gleichwertige, festumrahmte Bildteile. Das führt zu einem bestimmten System in der Gliederung der Fläche, wodurch dem Bilde ein einheitlicher, geschlossener und fester Rhythmus, ein außerordentlich starker Ausdruck in den bewegten Formen gegeben wird. Wenn Maintzer die Spiegelung in einem der Eifelmaare darstellt, so malt er nicht die zufällige Erscheinung, sondern das Gesetzmäßige des Vorganges, den wohlgegliederten, rhytmisch wiederholten Prozeß der Naturerscheinung. Das Zufällige wird zum Gesetzmäßigen, das Wesentliche kommt rein und unbeirrt zum Ausdruck, wird verstärkt und geklärt, das Unwesentliche wird ausgeschieden. Und doch wird niemand vor diesen Bildern leugnen können, dass sie bei alledem noch Lokalkolorit, deutlichen Eifelcharakter haben, ja, daß sie viel mehr von dem Wesentlichen der Eifel darstellen, als alle die realistischen kleinen Hügelchen und Tälerchen mit Bäumen und Kühen, die uns sonst mit geographisch genauer Bezeichnung des Ortes vorgeführt werden und doch nichts anderes geben, als was genau ebenso tausend Mal in aller Welt gemalt wird. Hier sehen wir deutlich die eigenartige Bewegung der Eifelberge, die düster gestimmte Wirkung und die unendliche Einsamkeit der Maare, deren vulkanische Mulde von den sanft abfallenden Kraterhängen fest umschlossen ist. Der weit gespannte, von großen Wolkenzügen umrahmte und von Lichterstrahlen überflutete Himmel hebt den Eindruck. An anderer Stelle zieht die bewegte Fläche des Geländes langsam dahin, bewegen sich Berge und Hügel, als ob die vulkanische Kraft, der sie ihre Form verdanken, noch tätig wäre, steigen Felsen in regelmäßiger und charakteristischer Schichtung auf. Kurz, das Typische der Eifel, ihr langgestrecktes, langhinziehendes Hügelland, der Gegensatz der ruhigen Berge und Felder gegen die große Himmelsfläche und den ernsten, etwas einförmigen Wasserspiegel sind ganz vorzüglich zu einer dekorativen Einheit verschmolzen. Man möchte wünschen, dass möglichst bald irgend einer unserer gutsituierten Bauherren Maintzer die Gelegenheit gäben, einige Wände oder einige Glasfenster mit solchen Eifellandschaften auszuschmücken. Das wäre für ihn der rechte Tummelplatz. Man möchte vor allem aber wünschen, dass statt der ewigen, jämmerlich kleinlich empfundenen Eifelveduten, mit denen die Museen und die Wände tapeziert werden, auch einmal solche großzügig aufgefasste Eifelnatur gebührend anerkannt würde. Man möchte endlich wünschen, daß statt des jämmerlichen Missverstehens, dem diese Werke bisher begegnen, doch auch unserer Vaterstadt endlich sich Verstehende finden möchten.

Mit einer überraschenden Fülle von Arbeiten, bei denen aber die Qualität durchaus der Quantität entspricht, hat sich Kohl eingestellt. Während er seine expressionistische Ausdrucksform noch wesentlich erweitert hat und zu neuen Experimenten schreitet, zeigt sich bei verschiedenen Bildnissen eine bewusste Vereinfachung und Annäherung an den unmittelbaren impressionistischen Tatbestand. Es wird Beschauer geben, die in den Porträts der Lore H. [sic] oder der Frau Julia Ponten erfreuliche Rückkehr zu früherer Auffassung dankbar konstatieren und dabei eine Konzession an den Durchschnittsgeschmack erblicken. Ob dem Künstler wirklich derartiges vorgeschwebt hat, muss seiner eigenen Entscheidung überlassen bleiben. Man darf aber nicht übersehen, daß doch z. B. in dem Bildnis der Frau Ponten gerade durch die kräftige Betonung der geometrischen Aufteilung des Kopfes, durch die Steigerung diess [sic] Systems in der Gestalt und im Hintergrund, durch die Rahmung in ein über Eck gestelltes Viereck eine außerordentliche Wucht und Ausdruckssteigerung erzielt worden ist, wie sie der einfache impressionistische Naturabdruck nicht erreichen würde. In diesem Sinne darf jedenfalls das Bildnis des Herrn Wiertz, einfache Kohlenzeichnung mit wenig Farbflecken, als besonders gelungen bezeichnet werden. Die an sich unschönen Züge sind pikant durchgearbeitet, von einem einheitlichen, fast dämonischen Ausdruck, die energisch geschnittenen Formen tragen den Stempel intensiven Erlebens und schnellen, treffsicheren Gestaltens.
   Als Experiment beschäftigt am stärksten das Bildnis des Kurt A. B. Der Ausdruck eines, auch der Geste nach die Masse packenden Menschen, der gesteigerte geistige Wirkung auf den Beschauer ausstrahlt. Der Versuch, suggestive Kraft des Ausdrucks zu versinnlichen, aus wirbelnd chaotischer Umgebung auf gesammelten geistigen Ausdruck zu konzentrieren, ist jedenfalls beachtenswert und beschäftigt uns geistig stärker, wie irgend ein farbiges Klischee einer Augenblicksphotographie. Jedenfalls geben diese beiden Porträtstudien dem denkenden Beschauer viel auf, und wenn auch die Frage offen bleibt, ob die letzte Lösung hier gegeben ist, so zeigen sie doch Kohl auf dem Marsche in der Weiterbildung, im Streben nach neuen, eigenen Problemlösungen. Daneben dann eine Reihe von Figurenbildern, wie sie der Künstler sich wiederholt gestellt und immer wieder anderseitig zu lösen versucht. Beachtenswert erscheint mir besonders die Darstellung „Christi am Oelberg“. In der stark verzerrten Christusgestalt und dem Einfluten des Lichtes ein unendlich oft behandeltes Thema, doch wie eigenartig variiert. Im Gegensatz vom strahlenden Himmelslicht und dämmernder Menschenerde mit den schlafenden Jüngergestalten sind vielversprechende Keime für eine weitere Ausgestaltung geboten. Nach der ornamentalen dekorativen Seite hin ist das Bild beachtenswert, das den Titel „Aufbäumen“ trägt und das zwei im Gegensatz bewegte Pferdefiguren in geschickter Raumfüllung und interessanter Kontrastierung der wellenartig bewegten Leiber zeigt. Als Hauptbilder sind nach der Art der Aufhängung vom Künstler wohl „Die Kreuzigung“ einerseits und „Das Mädchen und der Tod“ andererseits angesehen. In der Kreuzigung sehe ich eine sehr geschickte ornamentale Lösung des auf strenge Geometrie in Farbe und Form aufgebauten Motivs, wobei besonders das Rot zur Steigerung der Wirkung sehr gut verwendet ist. Weniger glücklich ist die Strahlenwirkung, auf die ohne Schädigung des gesamten Eindrucks hätte verzichtet werden können. Sehr stark ist dagegen der Ausdruck der beiden Gestalten unter dem Kreuze, in denen das Motiv auf die einfachste Formel gebracht ist. 
Ein ganz anderer, mehr erzählender Ton klingt aus dem Gegenbild. Das Erschauern des Mädchens unter der Berührung der kalten Knochenhände, das Zusammenzucken, das gespenstisch Uebernatürliche in der Art, wie der Tod zergliedert und doch wieder in einer gewissen Natürlichkeit dargestellt ist, das geheimnisvolle der Beleuchtung, das Seltsame und Erschreckende in der Totengestalt  wird unmittelbar empfunden werden. Wenn irgendwo, so hat das Zerteilen und Auflösen der natürlichen Formzusammenhänge, wie es der Expressionismus liebt, gerade in solchen Bildern seine volle Berechtigung und bringt das Uebersinnliche des Vorganges jedenfalls weit mehr zum Ausdruck, als eine realistische Darstellung.
Aber auch die kleinen, gerahmten Aquarelle oder getuschten Federzeichnungen dürfen nicht übersehen werden. Es sind darunter ein paar dekorativ ausgezeichnete Blätter, wie gerade die Gestalt des grün geflügelten, goldgewandeten Engels, oder die beiden von einer Teufelsgestalt überragten, purpurgolden leuchtenden Figuren. Solche kleine dekorative Werke, die außerordentlich geeignet sind, als intimer Zimmerschmuck mitzuwirken, müssten eigentlich im Publikum mehr Beachtung finden, das sich ja immer darüber beklagt, daß die großen expressionistischen Blätter in einen Durchschnittsraume nicht hineinpassen. Das Problem der Raumgliederung durch farbige, rahmenartige Motive, das in der Drömmer-Lange-Ausstellung so vorzügliche Lösung gefunden hatte, wird auch von Kohl sehr geschickt aufgenommen.
Sehr eindrucksvoll sind die zwei kleinen Plastiken, wenn sie auch vorläufig nur als kleine Gelegenheitsarbeiten und plastischen Parallelen zu den aquarellierten Blättern gedacht sind.
Daß Kohl auch im Holzschnitt oder richtiger in Holzstichelarbeiten erfolgreich experimentiert, beweist die Vielseitigkeit und Regsamkeit des Künstlers, von dem wir hoffentlich nach dieser Richtung hin noch mehr Proben erhalten. Für dieses Mal sei nur auf das Blatt der Verkündigung hingewiesen, das beweist, wie Kohl das Wesen dieser Technik, ihren Aufbau auf breite, schwarzweiße Kontraste und die vorzügliche Eignung zu expressionistischer Behandlung begriffen hat.

Es sei gestattet, an dieser Stelle noch auf eine gemeinsame Arbeit der Woge-Mitglieder hinzuweisen, die nicht im Reiffmuseum, überhaupt nicht in einem Museum, sondern an ganz profaner Stelle, in einer richtiggehnden Künstlerkneipe ihren Platz gefunden hat.
Drei Bilder aus dem Leben Kaiser Karls, humorvoll und doch von einem gewissen Ernste, von einer gewissen Größe erfüllt. Sie dürfen hier, wo gewissermaßen ein Rückblick auf die Jahresarbeit der Wogemitglieder gegeben wird, nicht unerwähnt bleiben.
Ich sehe schon, wie mit Naserümpfen die hohe Kritik diese Greueltat, diese Profanierung mit Verachtung ablehnt. Sind diese Künstler so weit gesunken, ihre Tätigkeit auf Kneipenmalerei zu verwenden? Man denkt an gewisse alte Holländer, verkommene Genies. Zwar verbindet man anderseits mit dem Worte „Künstlerkneipe“ meist recht angenehme Begriffe. Nicht nur die bildenden, sonder [sic] auch andere Künstler haben nicht selten in poetisch gemütlich ausgestalteten und von feinem [?] Alkoholduftgeschwängerten Räumen glückliche Anregungen für ihre Ziele erhalten. Ich brauche nicht an Devrient und an E. T. A. Hoffmann, an Scheffel und an alle die anderen zu erinnern. Man könnte auch sagen, das Wirtshaus, das den Künstler und Gelehrten, den Menschen von Geschmack zu einer Ruhestunde, zum Geplauder mit Freunden und Kameraden aufnimmt, sollte von rechtswegen, frei von aller nüchternen Gemeinheit,  auch durch seine farbige Ausstattung anregen und erheben.
Nun hat ja Aachen in seinem „Postwagen“ schon ein solches anheimelndes, gemütvolles Lokal, das den Fremden mit Stolz gezeigt wird. Wenn es gelingt, einen zweiten, vielleicht noch eindrucksvolleren Sitz vornehmer Gemütlichkeit und Stimmung hier zu schaffen, so hätten wir Aachener eigentlich allen Anlaß, uns dessen herzlich zu freuen. Den Künstlern, die den Mut haben zu solchem Bekenntnis, die sich nicht scheuen dem Volke wirklich durch ihre Kunst an der Stätte der Erholung zu dienen, sollten wir doppelten Dank sagen. Aber auch dem Inhaber der Wirtschaft, die den recht volkstümlichen Titel „Eijene Keiser Karl“ führt. Herrn Spiertz, sollten wir dankbar sein, daß er, statt noch ein Protzen- und Schieberlokal mit billigen Luxusmöbeln und Talmischmuck zu schaffen, unseren jüngeren Künstlern und allen, die geistig ihnen verwandt sind von bewährten Meistern ein echtes Künstlerheim gestalten läßt. Herr Spiertz beabsichtigt, möglichst alle Räume seiner Wirtschaft so künstlerisch auszugestalten. Zunächst ist nur ein kleines, 4:4 Meter großes Zimmer fertiggestellt. Mit dunklem Stoffe sind die Wände bespannt, die Decke aber originell geometrisch gegliedert und durch farbige, prismatische Beleuchtungskörper sehr originelles u. stimmungsvolles Licht darüber ausgegossen. An den drei geschlossenen Wänden – die vierte nehmen die Fenster ein – sind Geschichten aus Karls des Großen Leben dargestellt. Sie umschließen Schrifttafeln, auf denen unser vaterländischer Dichter Hermanns die Bilder in launigen Versen in gutem Oecher Platt erläutert.  

So wirkt dieser Raum im traulichen Lichte farbiger Scheiben, von Tabaksdunst weich umhüllt, obwohl nicht sehr günstig in der Form, doch sehr apart. Farbe fesselt uns, Bilder und Verse regen an. Wie Kaiser Karl die eitle Hofgesellschaft zwingt, in festlicher Gewandung mit ihm durch Dickicht und Dorn zur Jagd zu reiten, erzählt das erste Bild von Burger. Zur Linken, zwischen Felsen über denen die erklärende Inschrift sich hinzieht, sitzt der Kaiser, schlicht und unscheinbar, lang, sehnig und hager, voll Vergnügen über die gelungene Tat. Und vor ihm stehen Bischof und Hofdamen, Ritter und Knappen in zerschlissenem Gewande. Burger hat diese Zerschlissenheit nicht übertrieben, wie er denn überhaupt das Ganze in großen, auch eines festlichen Raumes würdiger Formen hält, auch durch intensiv gesteigerte Farbigkeit und eine gewisse, über die einfache Wahrheit hinausgesteigerte Größe zum Monumentalen hinstrebt. Wie die anderen hat er den banalen Stil der alten Historienmalerei glücklich vermieden, aber auch alles karikierte ausgeschlossen. Die Farben sind stark und voll, wie Burger es liebt und wie es für diesen Raum auch paßt. Man sollte nicht glauben, daß dem Bildhauer so starke Farbigkeit eigen sein kann.

Anders Kohl. Er stimmt etwas mehr auf das historische. Er schildert Kaiser Karls Trauer um Fastrada. Der Stil des Ganzen ist altertümlich. Man spürt, wie er alte Manuskriptmalerein nicht nachamt, sondern sich auch in vielem unmittelbar daran anschließt. Es ist ein reiner, strenger Reliefstil, die Figuren durch regelmäßig wiederkehrende stilisierte Bäume getrennt. Zur Rechten, über der großen Schrifttafel, sieht man die Frankenburg in der alten historischen Erscheinung.

Maintzer hat die tragische, aber friedlich endigende Erzählung von „et Emma en singe lange Eginhard“ behandelt. Es ist malerisch am feinsten gestimmt und die beiden Seitenszenen, die in warmem Licht gebadet sind, umrahmen den schneebedeckten Bolzhof, über dem die treue Emma ihrem geliebten Eginhard das hackelepack trägt. Die Schlußszene zeigt den Kaiser mit den beiden Liebenden an der Wiege eines Enkelchens froh vereint.

Durch die Gliederung des Raumes mittelst eines romantischen Bogenganges ist auch hier die nötige Raumteilung und Einordnung der Figuren in fest umschließenden Formen erzielt. So hat jeder der drei nach seiner Art und Person die Dinge behandelt und doch ist ein gutes Zusammenklingen der drei Arbeiten erreicht. Absichtlich ist alles Expressionistische vermieden. Und doch wird in der dekorativen Raumgliederung, der gleichmäßigen Belebung der Flächen in der stilisierten Farbe moderne Art erfreulich wirksam. Es liegt eine gewisse Behaglichkeit und Volkstümlichkeit, etwas buntes in diesen drei Bildern, das glücklich den Stil trifft, der an solcher Stelle notwendig war. Es dürfte wenig Kneipen geben, in denen so wertvolle Arbeiten so anspruchslos dargeboten werden. Freilich, wäre der Raum weniger hoch, dafür aber ein paar Quadratmeter größer, es würden diese Werke ganz anders zur Geltung kommen, sich weniger drängen, mehr in Augenhöhe stehen und durch ruhige Zwischenflächen sich nicht zu stark berühren. Vielleicht läßt sich bei weiterem Ausbau dieses Hauses noch eine Verlegung in besser gestaltete Räume erwirken, was man den wirklich wertvollen Bildern durchaus wünschen möchte.
Dem unternehmenden Schöpfer dieses Künstlerheimes aber darf ehrlich gedankt werden und die Bitte soll hinzugefügt werden, in diesem Sinne auch noch weietre [sic] Räume ausgestalten zu lassen, das Nützliche mit dem Angenehmen so erfolgreich zu verbinden. Wer den Mut hat, der Kunst in irgendeiner Form ein Heim zu bieten, ist immer des Dankes würdig. Den drei Künstlern aber möchte man noch öfter Gelegenheit wünschen, so im guten alten Sinne gut handwerklich zu schaffen. Ihre Leistungen fordern das.


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