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Gegenwart, 10. Oktober 1921
QUELLEN
Echo der
Gegenwart, 10. Oktober 1921: Ausstellung der Woge im Reiffmuseum.
Artikel von Geheimrat M. Schmid-Burgk.
Unentwegt schreiten die
Wogemitglieder
ihren dornenvollen Gang. Es gehört freilich nicht nur Mut,
sondern
auch Opferwilligkeit dazu, ohne Unterstützung, ohne
Ermunterung
ein als richtig anerkanntes Ziel zu verfolgen. Die Aachener
Wogemitglieder besitzen diesen Mut und diese
Entsagungsfähigkeit.
Während andere rheinische Städte heute schon
expressionistische Ausstellungen aus Privatbesitz veranstalten,
während Berlin in der Nationalgalerie die rheinische
Kulturwoche
mit einer Expressionistenausstellung eröffnet, steht man in
Aachen
immer noch ratlos vor diesen Dingen. Muß denn in der
übrigen
Welt der Expressionismus erledigt sein, ehe es vielleicht auch hier
dämmert?
Daß sich die Wogemitglieder
durch all das
nicht entmutigen lassen, wird jeder Unbefangene rühmlich und
erfreulich finden. Die jetzige Ausstellung zeigt auch, daß
alle
drei, Burger, Kohl und Maintzer, noch klarer und zielbewußter
im
Kampfe geworden sind. Insbesondere möchte ich das von Burger
und
seiner Gruppe „Diana und Endymion“ behaupten. Wie
klar ist
da die Vollplastik nach Hildebrands Prinzip in der Fläche
entwickelt, wie fein ist diese Fläche geliedert [sic] und
aufgeteilt, wie fein sind diese Gliederungen gegeneinander abgewogen.
Mir scheint, daß die ausgiebige Beschäftigung mit
der
Malerei für Burger sehr vorteilhaft ist. Etwas Weiches und
Flüssiges kommt dadurch in sein Werk. Als geborener Plastiker
wird
er trotzdem sich niemals in das allzu Malerische verlieren.
Das Motiv ist an sich einfach. Hinter
dem ruhenden
Endymion erscheint Diana (Selene) wie eine ...[?], sanft das Haupt des
Schlummernden berührend. Der Gegensatz ist ganz zart, aber
deutlich ausgesprochen. Der Sitzende, in jeder Bewegung Schlaf, die
Glieder völlig gelöst. Die stehende Göttin
fein bewegt,
leise und sehnsuchtsvoll heranschreitend, ganz statuarisches Leben,
fast dem Stilleben angenähert. Diese Ruhe, dieses
Gelöstsein
der Gestalten, diese feierliche Stille der Nacht, der Sehnsucht und der
Liebe erfüllt uns mit stillem Glück und Behagen.
Alles
Formale ist vortrefflich. Endymions Haupt ist dem Lichte
entgegengewendet, Dianas Antlitz durch leichte Neigung in weiche
Schatten gehüllt. Ausgezeichnet ist auch der Gedanke, der
Oberkörper der keusch enthüllten Göttin
über der
-Masse des Denkmals einsam in Schönheit aufragen zu lassen.
Ganz
vollendet ist die Gruppe auch im Einzelnen. Jeder Beschauer sollte sich
in der Ausstellung so viel Zeit nehmen, um in einer stillen Stunde
diese Eurythmie der Linien, der einzelnen Flächen und der
ganzen
Masse zu genießen. Wundervoll aber muß die Wirkung
im Park
des Besitzers, des Kommerzienrats Delius, sein, wenn auf sanftem Rasen
vor grünem Hintergrunde sich dies Kunstwerk erhebt. Edel,
schlicht, streng und doch von einem feinen Wohllaut erfüllt,
harmonisch als Ganzes wie im einzelnen, nirgends das Stoffliche
betonend und doch, im Gegensatz von Gewand und Fleisch gut
charakterisiert, so wirkt die Gruppe ganz klassisch, aber durchaus
nicht wie Kopie einer Antike. Sie hat nur das edelste Wollen alter
archaischer Kunst zu neuem Leben wiedererweckt.
Das zweite, von Burger ausgestellte Werk
ist ein
Kriegerdenkmal für Viersen, ein Tryptichon. Der auferstehende
Christus in der Mitte, St. Michael und die Gottesmutter auf den
Flügelbildern. Also auch hier ein malerischer Grundgedanke.
Auch
als Relief ist es von starker, malerischer Wirkung, trotz seiner
Flachheit. Hier spricht der erfahrene Plastiker. Das Mittelbild ist auf
die volle Fläche gesetzt, die Flügelgestalten aber in
flache
Nischen, eine Wirkung, die dem naiven Beschauer kaum auffällt,
ihn
aber instinktiv beeinflusst. Denn so tritt der auferstehende Christus
als Hauptsache aus dem Bild hervor. Nach Höhe und Tiefe
untergeordnet die beiden Flügelbilder. St. Michael, eine
mächtige, nur mühsam in die Nische
eingezwängte, den
Rahmen fast sprengende Kriegergestalt. Die gepanzerten Formen werden
erst bei der Ausführung in Stein in ihrer metallischen
Schärfe und Spiegelung zur vollen Geltung kommen. Zur Linken
Maria, die schmerzhafte Mutter Gottes, an dieser Stelle, wo dem Schmerz
so vieler Mütter Erinnerung geweiht ist, ganz besonders
glücklich gewählt. So sehen wir sie demütig
geneigt, das
blutende Herz vom Schwerte durchbohrt, aber ergebungsvoll zum
göttlichen Sohne gewendet. Zwischen beiden wuchtig und stark,
aber
doch sichtbar aufschwebend die Christusgestalt. Absichtlich ist im
Anklange an deutsche Kunst des Spätmittelalters das
Anatomische
betont, die Herbheit der Formen, die Gleichform der Rippen, der
eingefallene Leib. Und doch hat die Komposition so ausgeprägte
Eigenarten, ist so ganz selbständig empfunden, frei von jedem
Kopistengeist, der die frühere kirchliche Kunst so trostlos
öde erscheinen läßt. Trotz alles
Stilisierens auch
soviel Natur. Wie anschaulich ist das Schweben durch die
Stellung
der Beine und durch den Schwung des langherabfallenden Lendentuches
wiedergegeben. Wie hat des Dulders Antlitz so etwas wunderbar
Uebersinnliches. Ueberirdisches, wie verklärt wirken die
weitgeöffneten Augen, der leicht geöffnete Mund.
Grab,
Schmerz und Wunden, aber das Alles versöhnt und
überwunden
durch die Hoffnung auf die Auferstehung, das ist die Expression dieses
Kriegerdenkmals.
Um nun gleich in demselben Raume zu
bleiben, ein
Wort über Maintzers Eifelbilder. Mit vollem Bewusstsein hat
der
Künstler diesmal jede zu weit gehende Umformung der Natur
vermieden. In einzelnen Bildern, wie bei „der in den See
vorspringenden Landungsbrücke“, hat er sogar ein
wenig zu
viel des Guten nach dieser Richtung hin getan. Umso
größer
tritt nun das Wollen des Künstlers hervor, das Streben nach
Gliederung der Landschaft, nach Auflösung in gleichwertige,
festumrahmte Bildteile. Das führt zu einem bestimmten System
in
der Gliederung der Fläche, wodurch dem Bilde ein
einheitlicher,
geschlossener und fester Rhythmus, ein außerordentlich
starker
Ausdruck in den bewegten Formen gegeben wird. Wenn Maintzer die
Spiegelung in einem der Eifelmaare darstellt, so malt er nicht die
zufällige Erscheinung, sondern das
Gesetzmäßige des
Vorganges, den wohlgegliederten, rhytmisch wiederholten
Prozeß
der Naturerscheinung. Das Zufällige wird zum
Gesetzmäßigen, das Wesentliche kommt rein und
unbeirrt zum
Ausdruck, wird verstärkt und geklärt, das
Unwesentliche wird
ausgeschieden. Und doch wird niemand vor diesen Bildern leugnen
können, dass sie bei alledem noch Lokalkolorit, deutlichen
Eifelcharakter haben, ja, daß sie viel mehr von dem
Wesentlichen
der Eifel darstellen, als alle die realistischen kleinen
Hügelchen
und Tälerchen mit Bäumen und Kühen, die uns
sonst mit
geographisch genauer Bezeichnung des Ortes vorgeführt werden
und
doch nichts anderes geben, als was genau ebenso tausend Mal in aller
Welt gemalt wird. Hier sehen wir deutlich die eigenartige Bewegung der
Eifelberge, die düster gestimmte Wirkung und die unendliche
Einsamkeit der Maare, deren vulkanische Mulde von den sanft abfallenden
Kraterhängen fest umschlossen ist. Der weit gespannte, von
großen Wolkenzügen umrahmte und von Lichterstrahlen
überflutete Himmel hebt den Eindruck. An anderer Stelle zieht
die
bewegte Fläche des Geländes langsam dahin, bewegen
sich Berge
und Hügel, als ob die vulkanische Kraft, der sie ihre Form
verdanken, noch tätig wäre, steigen Felsen in
regelmäßiger und charakteristischer Schichtung auf.
Kurz,
das Typische der Eifel, ihr langgestrecktes, langhinziehendes
Hügelland, der Gegensatz der ruhigen Berge und Felder gegen
die
große Himmelsfläche und den ernsten, etwas
einförmigen
Wasserspiegel sind ganz vorzüglich zu einer dekorativen
Einheit
verschmolzen. Man möchte wünschen, dass
möglichst bald
irgend einer unserer gutsituierten Bauherren Maintzer die Gelegenheit
gäben, einige Wände oder einige Glasfenster mit
solchen
Eifellandschaften auszuschmücken. Das wäre
für ihn der
rechte Tummelplatz. Man möchte vor allem aber
wünschen, dass
statt der ewigen, jämmerlich kleinlich empfundenen
Eifelveduten,
mit denen die Museen und die Wände tapeziert werden, auch
einmal
solche großzügig aufgefasste Eifelnatur
gebührend
anerkannt würde. Man möchte endlich
wünschen, daß
statt des jämmerlichen Missverstehens, dem diese Werke bisher
begegnen, doch auch unserer Vaterstadt endlich sich Verstehende finden
möchten.
Mit einer überraschenden Fülle von Arbeiten, bei
denen aber
die Qualität durchaus der Quantität entspricht, hat
sich Kohl
eingestellt. Während er seine expressionistische Ausdrucksform
noch wesentlich erweitert hat und zu neuen Experimenten schreitet,
zeigt sich bei verschiedenen Bildnissen eine bewusste Vereinfachung und
Annäherung an den unmittelbaren impressionistischen
Tatbestand. Es
wird Beschauer geben, die in den Porträts der Lore H. [sic]
oder
der Frau Julia Ponten erfreuliche Rückkehr zu
früherer
Auffassung dankbar konstatieren und dabei eine Konzession an den
Durchschnittsgeschmack erblicken. Ob dem Künstler wirklich
derartiges vorgeschwebt hat, muss seiner eigenen Entscheidung
überlassen bleiben. Man darf aber nicht übersehen,
daß
doch z. B. in dem Bildnis der Frau Ponten gerade durch die
kräftige Betonung der geometrischen Aufteilung des Kopfes,
durch
die Steigerung diess [sic] Systems in der Gestalt und im Hintergrund,
durch die Rahmung in ein über Eck gestelltes Viereck eine
außerordentliche Wucht und Ausdruckssteigerung erzielt worden
ist, wie sie der einfache impressionistische Naturabdruck nicht
erreichen würde. In diesem Sinne darf jedenfalls das Bildnis
des
Herrn Wiertz, einfache Kohlenzeichnung mit wenig Farbflecken, als
besonders gelungen bezeichnet werden. Die an sich unschönen
Züge sind pikant durchgearbeitet, von einem einheitlichen,
fast
dämonischen Ausdruck, die energisch geschnittenen Formen
tragen
den Stempel intensiven Erlebens und schnellen, treffsicheren Gestaltens.
Als Experiment beschäftigt am
stärksten das
Bildnis des Kurt A. B. Der Ausdruck eines, auch der Geste nach die
Masse packenden Menschen, der gesteigerte geistige Wirkung auf den
Beschauer ausstrahlt. Der Versuch, suggestive Kraft des Ausdrucks zu
versinnlichen, aus wirbelnd chaotischer Umgebung auf gesammelten
geistigen Ausdruck zu konzentrieren, ist jedenfalls beachtenswert und
beschäftigt uns geistig stärker, wie irgend ein
farbiges
Klischee einer Augenblicksphotographie. Jedenfalls geben diese beiden
Porträtstudien dem denkenden Beschauer viel auf, und wenn auch
die
Frage offen bleibt, ob die letzte Lösung hier gegeben ist, so
zeigen sie doch Kohl auf dem Marsche in der Weiterbildung, im Streben
nach neuen, eigenen Problemlösungen. Daneben dann eine Reihe
von
Figurenbildern, wie sie der Künstler sich wiederholt gestellt
und
immer wieder anderseitig zu lösen versucht. Beachtenswert
erscheint mir besonders die Darstellung „Christi am
Oelberg“. In der stark verzerrten Christusgestalt und dem
Einfluten des Lichtes ein unendlich oft behandeltes Thema, doch wie
eigenartig variiert. Im Gegensatz vom strahlenden Himmelslicht und
dämmernder Menschenerde mit den schlafenden
Jüngergestalten
sind vielversprechende Keime für eine weitere Ausgestaltung
geboten. Nach der ornamentalen dekorativen Seite hin ist das Bild
beachtenswert, das den Titel „Aufbäumen“
trägt
und das zwei im Gegensatz bewegte Pferdefiguren in geschickter
Raumfüllung und interessanter Kontrastierung der wellenartig
bewegten Leiber zeigt. Als Hauptbilder sind nach der Art der
Aufhängung vom Künstler wohl „Die
Kreuzigung“
einerseits und „Das Mädchen und der Tod“
andererseits
angesehen. In der Kreuzigung sehe ich eine sehr geschickte ornamentale
Lösung des auf strenge Geometrie in Farbe und Form aufgebauten
Motivs, wobei besonders das Rot zur Steigerung der Wirkung sehr gut
verwendet ist. Weniger glücklich ist die Strahlenwirkung, auf
die
ohne Schädigung des gesamten Eindrucks hätte
verzichtet
werden können. Sehr stark ist dagegen der Ausdruck der beiden
Gestalten unter dem Kreuze, in denen das Motiv auf die einfachste
Formel gebracht ist.
Ein ganz anderer, mehr erzählender Ton klingt aus dem
Gegenbild.
Das Erschauern des Mädchens unter der Berührung der
kalten
Knochenhände, das Zusammenzucken, das gespenstisch
Uebernatürliche in der Art, wie der Tod zergliedert und doch
wieder in einer gewissen Natürlichkeit dargestellt ist, das
geheimnisvolle der Beleuchtung, das Seltsame und Erschreckende in der
Totengestalt wird unmittelbar empfunden werden. Wenn
irgendwo, so
hat das Zerteilen und Auflösen der natürlichen
Formzusammenhänge, wie es der Expressionismus liebt, gerade in
solchen Bildern seine volle Berechtigung und bringt das Uebersinnliche
des Vorganges jedenfalls weit mehr zum Ausdruck, als eine realistische
Darstellung.
Aber auch die kleinen, gerahmten Aquarelle oder getuschten
Federzeichnungen dürfen nicht übersehen werden. Es
sind
darunter ein paar dekorativ ausgezeichnete Blätter, wie gerade
die
Gestalt des grün geflügelten, goldgewandeten Engels,
oder die
beiden von einer Teufelsgestalt überragten, purpurgolden
leuchtenden Figuren. Solche kleine dekorative Werke, die
außerordentlich geeignet sind, als intimer Zimmerschmuck
mitzuwirken, müssten eigentlich im Publikum mehr Beachtung
finden,
das sich ja immer darüber beklagt, daß die
großen
expressionistischen Blätter in einen Durchschnittsraume nicht
hineinpassen. Das Problem der Raumgliederung durch farbige,
rahmenartige Motive, das in der Drömmer-Lange-Ausstellung so
vorzügliche Lösung gefunden hatte, wird auch von Kohl
sehr
geschickt aufgenommen.
Sehr eindrucksvoll sind die zwei kleinen Plastiken, wenn sie auch
vorläufig nur als kleine Gelegenheitsarbeiten und plastischen
Parallelen zu den aquarellierten Blättern gedacht sind.
Daß Kohl auch im Holzschnitt oder richtiger in
Holzstichelarbeiten erfolgreich experimentiert, beweist die
Vielseitigkeit und Regsamkeit des Künstlers, von dem wir
hoffentlich nach dieser Richtung hin noch mehr Proben erhalten.
Für dieses Mal sei nur auf das Blatt der Verkündigung
hingewiesen, das beweist, wie Kohl das Wesen dieser Technik, ihren
Aufbau auf breite, schwarzweiße Kontraste und die
vorzügliche Eignung zu expressionistischer Behandlung
begriffen
hat.
Es sei gestattet, an dieser Stelle noch auf eine gemeinsame Arbeit der
Woge-Mitglieder hinzuweisen, die nicht im Reiffmuseum,
überhaupt
nicht in einem Museum, sondern an ganz profaner Stelle, in einer
richtiggehnden Künstlerkneipe ihren Platz gefunden hat.
Drei Bilder aus dem Leben Kaiser Karls, humorvoll und doch von einem
gewissen Ernste, von einer gewissen Größe
erfüllt. Sie
dürfen hier, wo gewissermaßen ein Rückblick
auf die
Jahresarbeit der Wogemitglieder gegeben wird, nicht unerwähnt
bleiben.
Ich sehe schon, wie mit Naserümpfen die hohe Kritik diese
Greueltat, diese Profanierung mit Verachtung ablehnt. Sind diese
Künstler so weit gesunken, ihre Tätigkeit auf
Kneipenmalerei
zu verwenden? Man denkt an gewisse alte Holländer, verkommene
Genies. Zwar verbindet man anderseits mit dem Worte
„Künstlerkneipe“ meist recht angenehme
Begriffe. Nicht
nur die bildenden, sonder [sic] auch andere Künstler haben
nicht
selten in poetisch gemütlich ausgestalteten und von feinem [?]
Alkoholduftgeschwängerten Räumen glückliche
Anregungen
für ihre Ziele erhalten. Ich brauche nicht an Devrient und an
E.
T. A. Hoffmann, an Scheffel und an alle die anderen zu erinnern. Man
könnte auch sagen, das Wirtshaus, das den Künstler
und
Gelehrten, den Menschen von Geschmack zu einer Ruhestunde, zum
Geplauder mit Freunden und Kameraden aufnimmt, sollte von rechtswegen,
frei von aller nüchternen Gemeinheit, auch durch
seine
farbige Ausstattung anregen und erheben.
Nun hat ja Aachen in seinem „Postwagen“ schon ein
solches
anheimelndes, gemütvolles Lokal, das den Fremden mit Stolz
gezeigt
wird. Wenn es gelingt, einen zweiten, vielleicht noch eindrucksvolleren
Sitz vornehmer Gemütlichkeit und Stimmung hier zu schaffen, so
hätten wir Aachener eigentlich allen Anlaß, uns
dessen
herzlich zu freuen. Den Künstlern, die den Mut haben zu
solchem
Bekenntnis, die sich nicht scheuen dem Volke wirklich durch ihre Kunst
an der Stätte der Erholung zu dienen, sollten wir doppelten
Dank
sagen. Aber auch dem Inhaber der Wirtschaft, die den recht
volkstümlichen Titel „Eijene Keiser Karl“
führt.
Herrn Spiertz, sollten wir dankbar sein, daß er, statt noch
ein
Protzen- und Schieberlokal mit billigen Luxusmöbeln und
Talmischmuck zu schaffen, unseren jüngeren Künstlern
und
allen, die geistig ihnen verwandt sind von bewährten Meistern
ein
echtes Künstlerheim gestalten läßt. Herr
Spiertz
beabsichtigt, möglichst alle Räume seiner Wirtschaft
so
künstlerisch auszugestalten. Zunächst ist nur ein
kleines,
4:4 Meter großes Zimmer fertiggestellt. Mit dunklem Stoffe
sind
die Wände bespannt, die Decke aber originell geometrisch
gegliedert und durch farbige, prismatische Beleuchtungskörper
sehr
originelles u. stimmungsvolles Licht darüber ausgegossen. An
den
drei geschlossenen Wänden – die vierte nehmen die
Fenster
ein – sind Geschichten aus Karls des Großen Leben
dargestellt. Sie umschließen Schrifttafeln, auf denen unser
vaterländischer Dichter Hermanns die Bilder in launigen Versen
in
gutem Oecher Platt erläutert.
So wirkt dieser Raum im traulichen Lichte farbiger Scheiben, von
Tabaksdunst weich umhüllt, obwohl nicht sehr günstig
in der
Form, doch sehr apart. Farbe fesselt uns, Bilder und Verse regen an.
Wie Kaiser Karl die eitle Hofgesellschaft zwingt, in festlicher
Gewandung mit ihm durch Dickicht und Dorn zur Jagd zu reiten,
erzählt das erste Bild von Burger. Zur Linken, zwischen Felsen
über denen die erklärende Inschrift sich hinzieht,
sitzt der
Kaiser, schlicht und unscheinbar, lang, sehnig und hager, voll
Vergnügen über die gelungene Tat. Und vor ihm stehen
Bischof
und Hofdamen, Ritter und Knappen in zerschlissenem Gewande. Burger hat
diese Zerschlissenheit nicht übertrieben, wie er denn
überhaupt das Ganze in großen, auch eines festlichen
Raumes
würdiger Formen hält, auch durch intensiv gesteigerte
Farbigkeit und eine gewisse, über die einfache Wahrheit
hinausgesteigerte Größe zum Monumentalen hinstrebt.
Wie die
anderen hat er den banalen Stil der alten Historienmalerei
glücklich vermieden, aber auch alles karikierte
ausgeschlossen.
Die Farben sind stark und voll, wie Burger es liebt und wie es
für
diesen Raum auch paßt. Man sollte nicht glauben,
daß dem
Bildhauer so starke Farbigkeit eigen sein kann.
Anders Kohl. Er stimmt etwas mehr auf das historische. Er schildert
Kaiser Karls Trauer um Fastrada. Der Stil des Ganzen ist
altertümlich. Man spürt, wie er alte
Manuskriptmalerein nicht
nachamt, sondern sich auch in vielem unmittelbar daran
anschließt. Es ist ein reiner, strenger Reliefstil, die
Figuren
durch regelmäßig wiederkehrende stilisierte
Bäume
getrennt. Zur Rechten, über der großen Schrifttafel,
sieht
man die Frankenburg in der alten historischen Erscheinung.
Maintzer hat die tragische, aber friedlich endigende Erzählung
von
„et Emma en singe lange Eginhard“ behandelt. Es ist
malerisch am feinsten gestimmt und die beiden Seitenszenen, die in
warmem Licht gebadet sind, umrahmen den schneebedeckten Bolzhof,
über dem die treue Emma ihrem geliebten Eginhard das
hackelepack
trägt. Die Schlußszene zeigt den Kaiser mit den
beiden
Liebenden an der Wiege eines Enkelchens froh vereint.
Durch die Gliederung des Raumes mittelst eines romantischen Bogenganges
ist auch hier die nötige Raumteilung und Einordnung der
Figuren in
fest umschließenden Formen erzielt. So hat jeder der drei
nach
seiner Art und Person die Dinge behandelt und doch ist ein gutes
Zusammenklingen der drei Arbeiten erreicht. Absichtlich ist alles
Expressionistische vermieden. Und doch wird in der dekorativen
Raumgliederung, der gleichmäßigen Belebung der
Flächen
in der stilisierten Farbe moderne Art erfreulich wirksam. Es liegt eine
gewisse Behaglichkeit und Volkstümlichkeit, etwas buntes in
diesen
drei Bildern, das glücklich den Stil trifft, der an solcher
Stelle
notwendig war. Es dürfte wenig Kneipen geben, in denen so
wertvolle Arbeiten so anspruchslos dargeboten werden. Freilich,
wäre der Raum weniger hoch, dafür aber ein paar
Quadratmeter
größer, es würden diese Werke ganz anders
zur Geltung
kommen, sich weniger drängen, mehr in Augenhöhe
stehen und
durch ruhige Zwischenflächen sich nicht zu stark
berühren.
Vielleicht läßt sich bei weiterem Ausbau dieses
Hauses noch
eine Verlegung in besser gestaltete Räume erwirken, was man
den
wirklich wertvollen Bildern durchaus wünschen möchte.
Dem unternehmenden Schöpfer dieses Künstlerheimes
aber darf
ehrlich gedankt werden und die Bitte soll hinzugefügt werden,
in
diesem Sinne auch noch weietre [sic] Räume ausgestalten zu
lassen,
das Nützliche mit dem Angenehmen so erfolgreich zu verbinden.
Wer
den Mut hat, der Kunst in irgendeiner Form ein Heim zu bieten, ist
immer des Dankes würdig. Den drei Künstlern aber
möchte
man noch öfter Gelegenheit wünschen, so im guten
alten Sinne
gut handwerklich zu schaffen. Ihre Leistungen fordern das.
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