Sammlung > Geschicht der Sammlung
DIE SAMMLUNG
In den 1890er Jahren entstand unter Franz Reiff
eine umfangreiche Kunstsammlung, die aus Originalgemälden und
Kopien bestand. Vermutlich ging Reiff bei der Konzeption der Sammlung
nicht ganz uneigennützig vor. In bezug auf die Auftragslage
musste nämlich der Künstler, der an zahlreichen
nationalen und internationalen Kunst- und Weltausstellungen
teilgenommen hatte, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts
empfindliche Einbußen hinnehmen. Durch diese Entwicklung
beeinflußt richtete er seine ganze Konzentration auf den
Aufbau der Kunst- und Lehrsammlung, in der auch seine Werke den -
seiner Meinung nach - gebührenden Rahmen finden sollten und
letztlich auch haben. Reiff wurde zu seinem eigenen Auftraggeber.
Gleichzeitig dienten die Bilder einer anschaulichen Unterrichtung und
ästhetischen Kunsterziehung der Architekturstudenten.
Die Kopiensammlung umfasste im Jahre 1908 zur Eröffnung des
Reiff-Museums rund 200 Exponate, womit sie zu den
größten Deutschlands zählte. Zum Vergleich:
die Schack-Galerie in München besaß zu diesem
Zeitpunkt lediglich 85 Kopien.
Franz Reiff legte den Schwerpunkt der kopierten Werke auf die
niederländischen Landschafts- und Genreszenen des 17.
Jahrhunderts sowie auf religiöse Bilder einiger bevorzugter
venezianischer und italienischer Meister der Früh- und
Hochrenaissance. Seine besondere Vorliebe galt Tizian, Rembrandt und
Rubens, die mit bis zu je zwölf Gemälden vertreten
waren. Damit traf Reiff ganz den Kunstgeschmack der
bürgerlichen Gesellschaft.
Neben den Kopien besaß die Sammlung Reiff 75
Originalgemälde und Aquarelle der modernen Meister der
Düsseldorfer und Münchener Schule. Hinzu kamen einige
deutsche Romantiker und Landschaftsmaler (u.a. Wilhelm von Kaulbach,
Andreas und Oswald Achenbach, Karl Irmer), sowie 22 eigene Arbeiten.
Genre- und Landschaftsbilder dominierten, gefolgt von Historienmalerei
und Portraits. |
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Nach dem Tod Franz Reiffs im Jahre 1902
übernahm der damalige Professor für Kunstgeschichte,
Max Schmidt-Burgk, die Sammlung, die Reiff testamentarisch der
Hochschule vermacht hatte. Er erweiterte den bis dahin vorhandenen
Bestand und nahm Gipsproduktionen nach Werken der Antike und der
Renaissance, Architekturmodelle, wie die acht Abgüsse des
Parthenon-Cella-Fries', Einzelstücke aus der Aachener
Früh- und Vorgeschichte, sowie Arbeiten zur Geschichte und
Technik der bildenden Künste und des Kunstgewerbes auf.
Daneben bemühte sich Schmid-Burgk um eine Erweiterung der
Sammlung in Richtung zeitgenössischer Kunst. So erwarb er im
Jahre 1913, wie ein noch heute im Sturm-Archiv erhaltener Brief vom
02.01.1914 belegt, zwei Gemälde von Wassily Kandinsky: "Der
Blaue Berg" aus dem Jahre 1908/09 und "Improvisation 24" von 1912.
Damit war das Aachener Reiff-Museum eines der ersten, wenn nicht das
erste Museum in Deutschland, das mit einem von der Hochschule
verwalteten Etat aus öffentlichen und privaten Geldern Werke
Kandinskys ankaufte.
Das Gemälde "Der Blaue Berg" befand sich nur kurze Zeit im
Besitz des Reiff-Museums, es wurde bereits im Jahre 1919
anlässlich einer Verkaufsveranstaltung in der Berliner Galerie
"Der Sturm" gezeigt. Von dort aus gelangte es in eine nicht genannte
Privatsammlung, um 1931 als Leihgabe an die Staatliche
Gemäldegalerie in Dresden zu gehen. Am 21.12.1937 erwirbt der
Präsident der Reichskammer der bildenden Künste
Berlin das Gemälde für das Archiv der Staatlichen
Kunstsammlung Dresden. Letztendlich wurde das Bild 1937/38 durch den
New Yorker Sammler Solomon R. Guggenheim auf einer Auktion der
Kunsthändler Gutekunst und Klipstein in Bern gekauft. Das
Gemälde befindet sich seit 1941 im Guggenheim Museum New York.
Das zweite ehemals im Bestand des Reiff-Museums befindliche
Gemälde Kandinskys "Improvisation 24" gilt heute als
verschollen.
Schmid-Burgk zeigte mit diesem Ankauf eines abstrakt -
expressionistischen Werkes dennoch Mut und ein Gespür
für die zukunftsträchtigen Strömungen
innerhalb der Kunstentwicklungen seiner Zeit.
Entgegen der Vorstellungen des Stifters machte Schmidt-Burgk das eigens
für die Exponate errichtete Reiff-Museum 1908 der
Öffentlichkeit zugänglich und veranstaltete zwischen
1909 und 1925 insgesamt 16 Ausstellungen, die beispielsweise Werke der
Druckgraphik, der Innenarchitektur, der japanischen und chinesischen
Kunst, der Architektur und des Städtebaus sowie Werke
rheinischer Maler bzw. regionaler Künstlervereinigungen, wie
die "Woge", und Exponate aus der Sammlung Reiff selbst zeigten.
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Schmid-Burgk
nutzte für die Präsentation der Sammlung eine
sogenannte "integrierte Ausstellung", das heißt
Gemälde, Skulpturen, Architekturelemente, Möbel und
anderen Gegenständen des Kunstgewerbes wurden gleichberechtigt
- ganz im Sinne einer Lehrsammlung - und in Bezug zueinander
präsentiert.
Anhand einer zeitgenössischen S/W-Fotografie der
Innenräume, die zusammen mit einem Zeitungsbericht zur
Ausstellungseröffnung 1908 erschienen war, lässt sich
die ursprüngliche Hängung in den
Oberlichtsälen rekonstruieren.
Die Fotografie zeigt den Großen Museumssaal im zweiten Stock
des Reiff-Museums. Im Vordergrund stehen auf Sockeln zwei
Büsten und an den Wänden hängen
Gemälde verschiedener Formate. Trotz der unzureichenden
Qualität der Fotografie lassen sich bis auf drei alle Bilder
bekannten Kunstwerken und Künstlern zuordnen. Ganz hinten,
hinter der Scherwand, kann man zum Beispiel Zwei der "Vier Apostel" von
Albrecht Dürer erkennen. Außerdem vermittelt die
Fotografie einen recht guten Eindruck der Lichtverhältnisse. |
Aus einer Baubeschreibung des
Reiff-Museums im "Zentralblatt der Bauverwaltung" von 1910 geht hervor,
dass der Große Museumssaal von drei Oberlichtern und einem
Seitenlicht beleuchtet und mit einem Fußboden aus
Korklinoleum ausgelegt war, um störende Lichtreflektionen auf
den Bildern zu vermeiden. Der Seitenlichtsaal wurde durch
Scherwände in drei Abteilungen getrennt. Dort befand sich ein
großes bis zur Decke hochgezogenes Atelierfenster.
Insgesamt hatte das Museum eine Grundfläche von
ungefähr 500 qm, was nicht für die
Größe der Sammlung ausreichte. Trotz dichter
Hängung mussten einige Werke in den Kellerräumen und
den Räumen des Kunsthistorischen Instituts aufbewahrt werden.
Nach dem Ausscheiden von Schmid-Burgk aus dem Hochschuldienst 1925
wurde die Sammlung des Reiff - Museums kuratorisch nicht mehr betreut
und geriet aus dem Blickfeld der universitären und
öffentlichen Wahrnehmung.
Umfangreiche Verkäufe von Gemälden aus dem
Museumsbestand in den Jahren 1936/37, Auswirkungen des Zweiten
Weltkriegs und die unsachgemäße und auf das
Hochschulgelände verstreute Aufbewahrung der nach 1945 noch
erhaltenen Exponate, führten zum heutigen desolaten Zustand
einer dezimierten und in ihrem, auch physischen Bestand
gefährdeten Sammlung.
Ines
Finkeldei, Nora Karbach, Marcel Oeben, Miriam Wolf
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