Original und Kopie > Kassler Kopierordnung > Kopierordnung 1897

KOPIERORDNUNG DER GEMÄLDEGALERIE ZU KASSEL 1827

Vorschrift,
welche

beim Copiren der Gemälde kurfürstlicher
Bilder-Gallerie, von denen daselbst im
Copier-Saale copirenden Personen
zu beobachten stehet.

Damit nicht die allergnädigst gegebene Erlaubniß falsch verstanden oder mißbraucht, und der Copir-Saal als ein Gemeinplatz angesehen werde, dahin ein Jeder willkürlich laufen und nach Gutdünken verfahren könne, wird folgende Vorschrift ertheilt:

1. Der Gallerie-Inspector hat denen Personen, welche zu copiren wünschen, bevor er einer oder der andern ein Gemälde in den Copir-Saal anvertraut und einhändigt, sich zuvor zu überzeugen, ob die Person auch die gehörige Fähigkeit, Achtsamkeit und Vorsicht besitzt, damit einer Verantwortlichkeit wegen kein Schaden entstehe.

2. Jede Person, welche diese Eigenschaften besitzt und ein Gemälde zu copiren erhält, muß sich mit zwey guten starken Staffeleyen mit starken Pflöcken versehen , welche nicht wandelbar, sondern fest und sicher, sowohl das Original-Gemälde, als auch die zu fertigende Copie darauf zu stellen, seyn müssen, um damit allen Schaden und Unglück vorzubeugen.

3. Sobald der Copist ein Gemälde zum Copiren im Copir-Saal erhalten, verpflichtet er sich stillschweigend, dieses in den nemlichen guten Zustand wieder, nach vollendeter Copie, abzugeben wie er es empfangen; die Zeit über wie die Augen im Kopfe in Acht zu nehmen; insbesondere darauf zu merken, daß die Sonnenstrahlen demselben nicht Nachtheil bringen. So wie er nun auf sein Original zu achten, muß er auch auf seines Mitarbeiters Gemälde achten und allen Schaden warnen.

4. Wenn mehr als drei oder vier Personen in dem Copir-Saal arbeiten, sollen sie um allen Nachtheil welcher entstehen könnte, sich mit ihren Staffeleyen nicht also setzen, daß diese so ineinander stehen und sich durchkreuzen, daß der geringste Stoß Schaden verursachen könne. So sollen auch nicht zwei Personen zugleich nach einem Original copiren, indem dadurch leicht das eben Angeführte entstehen kann.

5. Im Fall, daß während des Copirens durch das Hin- und Hergehen sich Staub auf die Original-Gemälde setzte, darf der Copist diesen nicht herunter wischen, sondern soll es dem Gallerie-Inspector anzeigen, damit dieser dafür die gehörige Sorgfalt anwende.

6. Den Copirenden wird aufs strengste untersagt, die Umrisse der Originale weder mit Oel-Papier, noch durch Flor oder einer Glastafel, oder noch einer sonstigen Weise, wodurch die Gemälde leiden könnten, abzunehmen, sondern als Studierende durch die freye Handzeichnung nachzuahmen.

7. Darf Niemand der Copirenden Oele, Wasser oder Speichel auf die Original-Gemälde wischen, indem alles dieses nur Flecken verursachet; beym Wischen der Farben, keine zur Vergleichung der Farben Töne auf das Original streichen; überhaupt sich aller Berührung mit den Fingern oder andere Art enthalten.

8. Im Sommer des Morgens 7 Uhr wird der Copir-Saal geöffnet und Mittags 12 Uhr geschlossen, Nachmittags um 1 Uhr wieder geöffnet und Abends 5 Uhr geschlossen. Um eine gute Ordnung zu erhalten und Störungen zu vermeiden, wird beim Eintritt eines jeden Copirenden der Copir-Saal verschlossen, und Allen, welche nicht daselbst copiren, der Eintritt und bloße Besuche versagt; die Professoren der Academie jedoch ausgeschlossen.

9. Zu allen denen, welche zum Copiren zugelassen werden, versiehet man sich und nährt die Hoffnung, daß sie in den festgesetzten Stunden die allerhöchste Erlaubniß durch anhaltenden Fleiß benutzen und nicht, wie man mehreremal mißfällig bemerken mußte, daß sie des Morgens spät erschienen, nachher bis in die Dämmerung arbeiten wollten; oder sich Original-Gemälde anvertrauen lassen, und statt fleißig daran zu arbeiten, diese 3 bis 4 und mehrere Tage verwaist auf den Staffeleyen stehen ließen, als wären es Gegenstände von geringem Werth.

10. Ein sittliches Betragen wird von den Zöglingen der Academie, so wie auch von einem jeden Copisten erwartet; daher alle Zanke-, Balge-, Schlägerey und Beschimpfungen, und sonstiges ungebührliches Betragen aufs strengste untersagt. Es werden daher diejenige, welche darwider handeln, es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn sie aus dem Copir-Saal herausgewiesen und keinen weiteren Antheil an der allerhöchsten Erlaubnis nehmen dürfen.

11. Endlich versiehet man sich, daß jeder der Copirenden sich mit aller Vorsicht hüte, die Wände, die an den Wänden hängenden Gemälde, den Fußboden und Lambris nicht vorsätzlich zu beschädigen und zu beschmutzen; ferner die Fensterscheiben nicht zu zerbrechen; im unglücklichen Falle, daß eine oder die andere zerbrechen würde, diese auf Unkosten des Zerbrechers fordersamst wieder hergestellt werden muß.

12. Der verantwortlich gemachte Gallerie-Inspector hat aufs strengste darauf zu sehen, daß dieser Vorschrift Folge geleistet werde.

Wilhelmshöhe, den 2ten Junius 1827.
Wilhelm Kurfürst.

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