Original und Kopie > Kassler Kopierordnung
ZWEI HISTORISCHE KOPIERORDNUNGEN
DER GEMÄLDEGALERIE ZU KASSEL
Die
Staatlichen Museen Kassel, namentlich vertreten durch Frau Dr. Julia
Gierse, ermöglichten uns freundlicherweise den Einblick in zwei
historische Kopierordnungen, die uns einen Eindruck davon geben, unter
welchen Umständen die Kopien nach Kasseler Gemälden für
das Reiff-Museum entstanden sein mögen.
•
Kopierordnung 1827
•
Kopierordnung 1900
Die Kasseler Kopierordnung betreffend „Bilder
der kurfürstliche[n] Bilder-Gallerie“ entstand 1827, zur
Zeit Kurfürst Wilhelms II., und wurde erlassen, damit die Gemäldegalerie
nicht als ein „Gemeinplatz angesehen werde, dahin ein Jeder willkürlich
laufen und nach Gutdünken verfahren könne“. Schließlich
war die Galerie seinerzeit kein öffentliches Museum im heutigen
Sinne.
Die sich um die Erlaubnis zum Kopieren eines Werkes bewerbenden Maler
wurden durch den 'Gallerie-Inspector’ hinsichtlich ihrer „Fähigkeit,
Achtsamkeit und Vorsicht“ überprüft. Sie hatten für
ihre Kopie wie auch das Original jeweils eine geeignete, standfeste
Staffelei mitzubringen, welche im 'Copir-Saal’ aufgestellt wurden.
Dort konnten, laut Absatz 4 der Kopierordnung, offenbar sogar mehr als
vier Kopisten gleichzeitig arbeiten, jedoch nicht an demselben Bild.
Es galten für den Sommer genaue Öffnungszeiten; im Winter
waren zu dieser Zeit offenbar die Bedingungen für die Arbeit in
der Galerie ungünstig, beispielsweise was die Beheizung der Räume
betroffen haben mag. Eine mehrtätige Unterbrechung der Arbeit war
nicht gestattet, schließlich waren die Originale keine „Gegenstände
von geringem Werth“. Der Eintritt in den 'Copir-Saal’ wurde
ausschließlich den Kopisten sowie Professoren der Akademie gestattet.
Mehrere Abschnitte beschreiben unerwünschte Arbeits- und Verhaltensweisen
der Kopisten. Der Kunsthistoriker ist dabei versucht, entsetzt zu fragen,
ob die genannten Fälle zunächst realiter vorkamen und die
Bestimmung als Reaktion darauf erlassen wurde?! Dass Umrisse des Originalgemäldes
nicht mit Hilfe von Ölpapier, Flor oder einer Glasscheibe durchgezeichnet
werden dürfen, das Original nicht berührt oder mit diversen
Flüssigkeiten abgewischt oder auf andere Art berührt werden
dürfen, dürfte sich von selbst verstehen. Auch Schlägereien,
Beschimpfungen und Demolierung der Fensterscheiben werden ausdrücklich
untersagt.
In der Kasseler Kopierordnung des Jahres 1900 sind
die Gruppen genauer benannt, welche in der Gemäldegalerie einer
Kopistentätigkeit nachgingen: erstens ist der Eintritt „allen
durch ihre Leistungen bekannten Malern“ gestattet. Die zweite
Gruppe bilden so genannte 'Dilettanten’, worunter ein Maler fällt,
„welcher eine Kunst […] lediglich zu seinem Vergnügen
betreibt, ohne sie zu seinem Lebensberuf oder zum Gegenstand eines erschöpfenden
Studiums zu machen“. Im Zeitverständnis dieses Wortes, wie
es Meyers Konversationslexikon von 1894 festhält, haftet ihm ein
„leichte[r] Beigeschmack von Ungründlichkeit“ an, steht
also „der Meister- oder Kennerschaft entgegen, ist aber gleichwohl
mit Stümperei nicht identisch“. Eine dritte Gruppe von Kopisten
bilden jene Studenten an Kunstakademien, die eine Empfehlung ihrer Lehrer
vorbringen können.
Es ist wichtig festzuhalten, dass Kopisten oftmals Arbeitsproben oder
in Form von Empfehlungen Zeugnisse ihres Könnens vorlegen mussten,
um eine Kopiererlaubnis zu erhalten. Die negative Konnotation, die das
Wort 'Kopie’ im heutigen Verständnis bisweilen hat, kann
den Abgleich mit den Kopierordnungen folglich nicht ganz überstehen,
hatten die Kopisten doch diese 'Einstiegshürde’ zu meistern.
Im Folgenden ist festgelegt, mit welchen Angaben sich der Kopist in
das vom Kastellan, dem Aufseher der Galerie, aufbewahrten Kopierbuch
einzutragen hatte.
Für die Arbeit an der Kopie sind erneut „Öffnungszeiten“
festgelegt, welche im Winterhalbjahr, vermutlich aufgrund des schnell
schwindenden Tageslichts, eingeschränkt sind.
Als maximale Bearbeitungsfrist einer Kopie sind vier Monate angesetzt,
jeder Kopist darf nur an einer Kopie zur gleichen Zeit arbeiten, dabei
gab es eine Art System von Vormerkungen: hat sich ein anderer Künstler
für ein Gemälde eingeschrieben, so darf der erste Bearbeitende
es nicht zweimal hintereinander in Anspruch nehmen. Die Arbeit darf
wiederum nicht für mehrere Tage ohne ausreichende Begründung
unterbrochen werden.
Den Kopisten stehen Beamte der Galerie zur Seite, nur diese dürfen
die Originale abnehmen und wieder aufhängen. Für das abgenommene
Gemälde ist während der Kopiertätigkeit allerdings der
Maler zuständig, der Sorge zu tragen hat, dass es während
dieser Zeit keinen Schaden nimmt.
Von besonderem Interesse ist ferner Absatz 12, welcher festlegt, dass
der Kopist, wenn er die Signatur des Künstlers des Originals ebenfalls
nachahmt, auch seinen eigenen Namen zur Kennzeichnung der Kopie anzubringen
habe.
In Dresden bediente man sich hingegen anderer Maßnahmen zur Kennzeichnung
der Kopien. Hier wurden beispielsweise Stempel auf der Leinwandrückseite
angebracht, wie wir es bei Kopien nach Werken aus der Dresdener Gemäldegalerie
beobachtet haben. Damit wurde der Kopie einerseits eine ausreichend
hohe Qualität zugesichert, andererseits begründet sich diese
Regel durch das Bestreben, der Fälschungskriminalität entgegenzuwirken.
Absatz 13 bestimmt denn auch, dass Vervielfältigungen von Gemälden
durch Kupferstich, Lithographie oder ähnliche Verfahren, bei denen
massenhaft Exemplare von Kopien erzeugt werden, einer besonderen Genehmigung
des Museumsdirektors bedürfen.
Katja Eßer
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