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HISTORISCHER EINBLICK IN DIE SAMMLUNG

Historisches Foto: Ausstellungsraum im Reiff-Museum

Dieses historische Foto mit der Bildunterschrift
"Großer Museumssaal" ist entnommen aus: 
Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin, 
30. April 1910, S. 239.


1) Frans Snyders 'Eine Löwin schlägt ein Wildschwein'

2) Anton van Dyck 'Sebastian Leerse mit Frau und Sohn'

3) Anton van Dyck 'Kardinal Guido Bentivoglio'


4-6) ?


7) Frans Snyders 'Wildschweine im Kampf mit Hunden'


8) Peter Paul Rubens 'Landschaft mit Kühen'


9) Peter Paul Rubens 'Rubens Söhne (Albert und Nikolaus)'


10) Peter Paul Rubens 'Susanna im Bade'


11) Jacob Jordaens 'Faun bei einer Bauernfamilie auf Besuch'


12) Peter Paul Rubens 'Putten, Detail zum Blumenkranz'


13) Albrecht Dürer '
Johannes und Petrus (Die hl. Johannes Evangelist und Petrus)'

Die Quellenlage

Über die museale Raumdisposition und -präsentation der Reiffschen Sammlung geben vornehmlich schriftliche Zeugnisse Auskunft. Wichtigste Quelle dabei ist die Aachener Zeitung ‚Echo der Gegenwart'1 , in der in aller Regelmäßigkeit - positiv wie negativ - über das Reiff-Museum berichtet wurde. Leider jeweils ohne beigestelltes Fotomaterial. 
Einzig dem ‚Zentralblatt der Bauverwaltung' lässt sich der Ausgabe vom 30. April 1910 ein Foto mit der Bildunterschrift ‚Großer Museumssaal'2 entnehmen. Ein Glücksfall. Zwar geben die schriftlichen Quellen reichlich Auskunft über Wandverkleidung, Fußbodenbelag, Lichtregie, also der Ausgestaltung der Räume, die für die Zeit eine sehr moderne war3, und vermitteln dem Leser die Abfolge der Säle und ihre Bestimmung, aber anhand des Fotos lassen sich augenscheinlich weitere konzeptionelle, schriftlich aber nicht fixierte Angaben entnehmen.

Das historische Foto

Vorab einige Daten: Die Museumseröffnung fand am 5. November 1908 statt; die erste öffentliche Ausstellung erfolgte vom 9.11 - 5.12.19094 und das historische Foto wurde in der Ausgabe vom 30. April 1910 publiziert. Diese zeitliche Abfolge gilt es im Auge zu behalten, da die Sammlung unter Max Schmid-Burgk ständigen Wandlungen unterworfen war.
Das Foto gewährt Einblick in den großen Museumssaal, der mittels Ober- und sparsam eingesetztem künstlichem Licht beleuchtet und durch zwei Scherenwände in drei Kabinette strukturiert wurde. Vom Objektiv erfasst ist die Längsseite des Saales, die zugleich die Schmalseite des zum Templergraben abschließenden Gebäudes darstellt.
Nach eingehender Sichtung des Fotos sowie parallel dazu des Inventars konnte ein Großteil der im mittleren Kabinett - welches den Flamen vorbehalten war - vorhandenen Bilder zugeordnet werden. Von links nach rechts ergibt sich folgende Benennung:
1) Frans Snyders 'Eine Löwin schlägt ein Wildschwein',
2) Anton van Dyck 'Sebastian Leerse mit Frau und Sohn',
3) Anton van Dyck ‚Kardinal Guido Bentivoglio',
4-6) ?,
7) Frans Snyders ‚'Wildschweine im Kampf mit Hunden',
8) Peter Paul Rubens 'Landschaft mit Kühen',
9) Peter Paul Rubens 'Rubens Söhne (Albert und Nikolaus)',
10) Peter Paul Rubens 'Susanna im Bade',
11) Jacob Jordaens 'Faun bei einer Bauernfamilie auf Besuch',
12) Peter Paul Rubens 'Putten, Detail zum Blumenkranz'.
Folgt man dem Inventar von 1901, dürfte es sich bei den kleinformatigen Werken 4-6 um Bilder nach Teniers oder Breughel handeln. Die Maße sprächen dafür. Allerdings, und das gestaltet die Forschungslage nicht einfacher, das großformatige Gemälde ‚Kardinal Guido Bentivoglio' nach van Dyck wurde, da es im Inventar unerwähnt ist, erst nach 1901 in die Sammlung aufgenommen.
Ganz rechts erkennt man unschwer eine der Tafeln mit den Aposteln nach Albrecht Dürer (Nr. 13) wodurch die Abteilung Deutscher Künstler markiert ist. Dazu gehörten Werke nach Holbein, Schongauer und Cranach. Spekuliert werden darf, dass sich linker Hand, also nach den Flamen, die Niederländer zur Anschauung darboten.
Ferner offenbart das Foto, wie modern und konservativ zugleich die Sammlung präsentiert wurde. So stand der den neuesten Ansprüchen gerecht werdenden Raumgestaltung die barocke Hängung entgegen. In drei horizontalen Reihen, dicht an dicht platziert, entsprach die Anordnung, die letztlich dem Platzmangel geschuldet ist, nicht der von Schmid-Burgk favorisierten, die den Fokus auf ein Bild gerichtet hätte. Durch die Form der ‚integrierten Ausstellung' versuchte er dieses Manko (will man es denn so benennen) wieder wettzumachen. So wurden Möbel, Skulpturen, Vitrinen mit Kleinkunst usw. den Gemälden zur Seite gestellt und kleinere Abteilungen nach wahrnehmungsästhetischen Gesichtspunkten gestaltet.

Sammlungsschwerpunkt

Ob der Fotograf Anweisungen erhalten hat, gerade dieses Kabinett abzulichten, ist nicht überliefert, aber zu vermuten. Nach Auswertung des Inventars von 1901 ergibt sich nämlich, dass der Sammlungsschwerpunkt eindeutig im Bereich der niederländisch-flämischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts zu verzeichnen ist; darunter 12 Kopien nach Rembrandt, 6 nach Rubens, 6 nach van Dyck, 5 nach Hals usw. Hinzu kommen Werke, die 1901 noch italienischen, heute jedoch niederländischen bzw. flämischen Künstlern zugeschrieben sind. So z.B. im Fall des Studienkopfes von Ludovico Carracci (Inv. Nr. 28), der seit 1985 gesichert als eine Arbeit aus dem Umfeld von van Dyck gilt5.
Dieser Schwerpunkt entsprach dem Geschmack der Zeit des auslaufenden 19. Jahrhunderts, der durch den Unterricht an die Studierenden sowie durch die Zugänglichkeit des Museums und Berichterstattung dem (Fach-)Publikum weiter vermittelt wurde. Mit Akzeptanz durfte gerechnet werden. Das sollte sich jedoch bald ändern, weil neben Reproduktionen und Diapositiven vor allem die Moderne Einzug hielt.

Größenverhältnisse

Das Reiffsche Inventar von 1901 verzeichnet neben Künstlernamen, Titel des Werkes, Ort, gelegentlich die Inventarnummern6 und die Maße. All diese Angaben sind dem jeweiligen Original zuzuordnen, bis auf die Maßangaben. Diese sind den Kopien entnommen. Dabei ist auffällig, dass die heutige Praxis, Höhe vor Breite vor Tiefe zu notieren, nicht eingehalten wurde. Vielmehr wurde die Reihenfolge willkürlich vorgenommen. Das lässt sich augenscheinlich dem historischen Foto entnehmen. Während das Werk nach Jordaens (Nr. 11) den Maßen 126 x 110 cm entspricht, müssen die Angaben (85 x 50 cm) zu dem darunter hängenden Rubensbild (Nr. 12), welches eindeutig ein Querformat darstellt, genau anders herum gelesen werden.
Versuche, ein einheitliches Verhältnis zwischen den Maßen der Originale und der Kopien herzustellen, gestalten sich schwierig. So wurden z.B. die beiden als Pendants gemalten Werke von Frans Snyders in den Kopien (Nr. 1 und 7) auf die Hälfte minimiert, aus Rubens ‚Madonna im Blumenkranz' ‚nur' die beiden rechts oben befindlichen Putten in vergrößerter Form kopiert (übrigens ein bis heute gern gewählter Ausschnitt), während das Werk nach Jordaens (Nr. 11) um knapp ein Drittel verkleinert und die Maße von van Dycks Familienbildnis (Nr. 2) fast 1:1 übernommen wurden.
Ob Franz Reiff, der die Werke in seiner Privatwohnung sowie im Gartenpavillon an der Ludwigsallee 39 und im universitären Atelier (Hauptgebäude der RWTH Aachen, 2. Stock) beherbergte, nach einem vorgegeben Größenplan bestellte, ist wahrscheinlich, aber nicht belegbar. Die Pläne für den Museumsneubau hatten auf jeden Fall noch nicht einmal das Reißbrett erreicht. So erklärt es sich, warum ein Hauptwerk, das in keiner Kopiensammlung fehlen durfte7, nämlich ‚Die Sixtinische Madonna' nach Raffael, nicht in den eigentlichen Museumsräumen, sondern in einem sich auf gleicher Etage befindlichen Maleratelier von Professor Frenz8 präsentiert wurde. Die Ausmaße des Bildes sowie der aufwändig geschmückte Zierrahmen hätten die Möglichkeiten der Museumswände gesprengt.

Dr. Martina Dlugaiczyk

1 siehe Dokumente: Quellen
2
Zentralblatt der Bauverwaltung, hrsg. im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, XXX. Jahrgang, Nr. 35, Berlin, 30. April 1910, S. 239. Hier findet sich auch ein detaillierter Grundriß aller Stockwerke mit Nutzungszuweisung der einzelnen Räume, ebda.
3 Schmid-Burgk besuchte z.B. "in Hagen die Sammlung des 1900 bis 1902 gegründeten Museums Folkwang von Karl Ernst Osthaus, in Darmstadt das 1897-1902 von Alfred Messel (…) erbaute großherzogliche Museum und Hannover das Provinzialmuseum", Turck, 1992, S. 53.
4 Katalog der Drucksachen Ausstellung
5 Schnackenburg, Mainz 1996, S. 112. Erste Zuschreibung an van Dyck Umkreis nahm vor: Schleier, E.: Besprechung Lehman, Kat. 1980, in: Burlington Magazine CXXXVII, Sept. 1985, S. 626-28
6 Inventarnummern finden sich im Reiffschen Inventar von 1901 durchgängig nur bei den Vorlagen aus der Münchner Alten und Neuen Pinakothek.
7 Pophanken, Andrea: Graf Schack als Kunstsammler. Private Kunstförderung in München (1857-1874), München 1995.
8 "Mit Beginn des Wintersemesters ist der am Templergraben gelegene Neubau der Hochschule, der das Reiffmuseum birgt, offiziell der "Neubau der Abteilung 1 und des Reiffmuseums", in Benutzung genommen worden. Im allgemeinen ist über den Bau zu sagen, daß er im Kellergeschoß Magazin-, Dienst- und Bureauräume enthält, im Erdgeschoß das Kunstgeschichtliche Institut (Prof. Schmid), die Baukunst der Renaissance und die Räume des Prof. Frenzen, im
ersten Stockwerk die Architektursammlungen (Geheimräte Henrici und Schupmann), im zweiten Stock das Reiffmuseum und die Unterrichtsräume des Professors für Malerei (Prof. Frenz)"; Echo der Gegenwart, 05. November 1908:
Bericht von der Eröffnung des Reiffmuseums

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